Dass dies mein letzter Auftritt bei Gericht war, wusste nur ich. Der Richter las das Urteil, wir standen. Danach kam das letzte Wort der Angeklagten. Ich übersetzte und bemühte mich, durch vornehme Worte die Rolle der beiden Russen zum Ausdruck zu bringen. Ob sie wahre Kriminelle waren, weiß ich nicht, aber die Banküberfälle, die ihnen zugeschrieben wurden, sahen echt aus. Es war ihre erste Straftat und das Urteil fiel mild aus. „Egal“, dachte ich und beobachtete sitzend, wie alle ihre Sachen packten. Die Anwältin hatte rosa Mappen, der Richter auch und der Staatsanwalt sogar mehrere. Jeder war irgendwie dem Einpacken so gewidmet und keiner von ihnen hatte den Blick für etwas anderes.
„Ich möchte mich verabschieden“, sagte ich leise, aber deutlich. Der Staatsanwalt und der Richter schauten mich aus Höflichkeit an. „Bis zum nächsten Maaal“, sagte der Richter mit dem Kölner Akzent. „Tschööö“, sang im Anschluss der Staatsanwalt.
„Ich meine: Ich verabschiede mich. Komme nicht mehr!“
„Frau Dolmetscherin, Sie sind on the top of the market“, betonte der Richter, der den tiefen Sinn meines Statements schnell verstanden hatte.
Ja, war ich. Vormittags lief ich von einem Gerichtssaal zum anderen. Nachmittags „flog“ ich zum Gefängnis, um Mandantengespräche zu übersetzen. Als ich zurückfuhr, wurde ich oft von der Polizei angerufen, in der Nacht, wieder und wieder. Nicht der Schlafmangel war der Grund für mein Aussteigen. Auch nicht die Anwälte, die ständig versuchten, die Dolmetscherin als Verbündete an sich zu binden. Die Kriminalität war der Grund. Schmutzig, verlogen, zerstörerisch und unveränderbar sah diese kriminelle Welt aus, die ich mehr als zehn Jahre lang bedient hatte.
Abschied aus dem „Ring“
Der Abschied war dennoch keine Flucht, sondern ein Abschied halt. Ein Lebensabschnitt wird beendet, ein neuer beginnt. Die einzige Frage, die ich mir in dem Moment stellte, war, wie der Abschied der Sportler aussieht. Die Welt kennt viele solche Momente. Andre Agassi weinte. Die Tennisspieler behalten den Tennisschläger, die Fußballspieler den Ball, die Schwimmer – keine Ahnung, und die Boxer behalten die Boxhandschuhe. Jeder, der die Arena für immer verlässt, behält wahrscheinlich etwas als Souvenir. Ah ja – und die Fans bekommen verschwitzte T-Shirts.
Ich nahm mein Kalenderbuch mit von der Anklagebank, das war alles. Darin waren noch weitere Termine eingetragen, die ich nicht wahrnehmen wollte. Und die Fans? Ich schaute in den Gerichtssaal. Ja, die Sicherheitsjungs, die waren meine echten Fans. Wer noch? Die Verbrecher? Nein, danke! Die Protokollführerinnen waren auch sehr nett. Finito! Drei Minuten dauerte mein Abschied aus diesem „Stadion“. Der Gerichtssaal war mein Stadion, die Sprachen meine Boxhandschuhe. Ich nahm alles mit: Den Kampfgeist zwischen den Parteien, die Neugier der Zuschauer und die Ausdauer der Justizangestellten. Die Verbrecher ließ ich da, um von den anderen Dolmetschern bedient zu werden.
Entschlossenheit, Sportspirit und der Wille zum Sieg
Der Kampfgeist führe mich weiter und weiter. Was wäre eine Unternehmerin ohne das Gefühl eines Sportlers, ohne den Willen zum Sieg und die Entschlossenheit, auch nach einer Niederlage weiterzukämpfen. Das sind die drei Komponenten, ohne die der Weg eines Unternehmers nicht denkbar ist: Entschlossenheit, Sportspirit und der Wille zum Sieg. Wenn sich die ersten Erfolge einstellen, kommt die Frage der Ausdauer. Einmal gewonnen und weiter? Der Sieg liegt so nah bei den Schmerzen, dass man kaum unterscheiden kann, ob der Wettkampf schon vorbei ist oder nicht! Es fühlt sich wie eine kurze Pause an. Aber sobald man realisiert, dass man auf dem Siegertreppchen steht, möchte man dort bleiben – und kämpft weiter.
Die Unternehmer auch. Nach der ersten Runde kommt die zweite. Ein Quartal nach dem anderen. Mitarbeiter, Businesspläne, Kredite und Ratenzahlungen … alles gehört dazu. Der Sportspirit und die Ausdauer sind aber nicht in jedem Unternehmen gleich. Ich habe immer Menschen gesucht, die aus dem normalen 8-Stunden-Arbeitstag ein Erlebnis machen und am Ende des Tages ein stolzes Gefühl mit nach Hause nehmen. Diese Menschen brauchen keine zusätzliche Motivation. Sie lieben es, Service zu leisten und gute Qualität abzugeben. Sie haben auch Fans, das sind ihre Kunden.
Und ich. Der größte Fan von allen in meiner Firma bin ich! Ich war von Anfang an gleichzeitig der Sportler, der das Ziel nicht aus den Augen verliert. Ausdauer und Sportspirit halten das Team zusammen und bauen den Weg zum Erfolg aus. Aber nur, wenn jedes einzelne Teammitglied die Vision seines Trainers als seine eigene Vision weiterträgt. Die Vision weiterzugeben als Funke, der jedem den richtigen Weg zeigt, war und ist meine Pflicht als Unternehmerin.
Der Erfolg ist kein Zufall. Das ist meine Überzeugung.