Ich flog wieder nach Südafrika mit ein paar von meinen Büchern im Koffer. „Ein Koffer voller Wollen“ war gerade erschienen, und ich wollte es ein paar Leuten schenken. Das Buch war auf Deutsch, und diese Leute verstanden leider gar kein Deutsch. Also war mein Buch hier ein Souvenir und kein Lesestoff. Direkt nachdem ich mein Apartment in Johannesburg erreicht hatte, kam schon mein Hausmädchen Violet zu mir. Auch ihr schenkte ich das Buch. Im Büro tat ich das Gleiche bei meinen Mitarbeitern. Danach schenkte ich das Buch meinen Freundinnen. Es war schön und alle freuten sich sehr über dieses persönliche Geschenk, obwohl keiner wusste, was darin steht. Zwei der Kapitel behandeln Afrika, und jetzt war auch das Buch in Afrika.
Und ich begann gleich damit, die Fortsetzung meines Buches „zu schreiben“,
aber wieder erst einmal in der Realität, nicht auf dem Papier. Das Verhandeln auf dem Afrikanischen Kontinent hatte ich zwar schon kurz beschrieben, aber in einigen Facetten eher theoretisch. Jetzt mussten diese Erfahrungen um den Umgang mit verschiedenen Dienstleistern ergänzt werden. Und der Blick von der anderen Seite fehlte noch. Wie verhält sich der Anbieter von Produkten und Dienstleistungen in Südafrika? Das war jetzt mein Thema.
Zu einem Kundengespräch im Vertriebsbüro von Arzneimitteln fuhr ich zusammen mit einer Mitarbeiterin. Wir fuhren schon eine Stunde und hatten mehrfach die Autobahn gewechselt. Schließlich waren wir auf dem „dustway“ und konnten gar nicht mehr beurteilen, ob wir rechtzeitig ankommen würden. Anrufen und Mitteilen kam hier aber gar nicht in Frage. „Africa time“ ist hier der Begriff für Pünktlichkeit, und diese Einstellung heißt „komm einfach, egal wie spät es ist“. Endlich waren wir da. Die erste Stunde war von Kaffee und Teigwaren geprägt, das Gespräch hatte vor allem privaten Charakter. Ich wusste: durchhalten! Verhandeln ist Sport. Hier ging´s aber noch gar nicht ums Verhandeln, sondern um ein langes Kennenlernen. Es vermischten sich die Präsentation der geografischen Kenntnisse der Gastgeber über Europa mit der Prüfung meiner geografischen Kenntnisse über Afrika. Dann kam das Mittagsessen. Drei Stunden waren vergangen, und noch kein Wort über die Arbeit war gesagt. Warum eigentlich?
Die Sympathieebene hat finanzielle Auswirkungen
Das habe ich an diesem langen Tag verstanden. Als ich am späteren Nachmittag endlich zum Preis des Übersetzungsprojektes befragt wurde, teilte ich zunächst den Pauschalpreis mit. Die potenziellen Kunden begannen zu verhandeln, und ich, ermüdet von 6 Stunden Smalltalk, machte mit und begann mit den Zahlen zu spielen. Ich hielt einen kurzen Vortrag über die Qualität, die „Geld kostet“ und reduzierte den Preis trotzdem. Meine Gesprächspartnerin musterte mich von Kopf bis Fuß, zufrieden, dass ich ihre Verhandlungsmentalität verstehe. Sie stellte die Frage nach einem Preisnachlass, und ich gewährte einen Mengenrabatt. Dieses Verhandlungsspiel munterte uns wieder auf, und wir verabschiedeten uns schließlich in den Feierabend. Ich war sehr müde, keine Frage. Dennoch schrieb ich sofort nach dem Ankommen in meiner Wohnung das Angebot mit dem Datum dieses Verhandlungstages. In Afrika ändert sich alles schnell, und ich wusste das, genauso wie die Afrikaner. Was aber nach so einem Verhandlungstag bleibt, ist die emotionale Ebene und die gegenseitige Wertschätzung. Die Sympathie bleibt und das Versprechen, das zwischen zwei Menschen entstanden ist. Dies ist die solide Basis, die man verstehen muss, wenn man eine Firma in Afrika führen möchte. Übrigens: Für diesen Kunden arbeiten wir immer noch, und ich denke dankbar: meine Ausdauer hat sich gelohnt!