Die beiden Teams sahen ähnlich aus. Junge Männer, junge Frauen… Die Aufgaben waren klar kommuniziert und alle arbeiteten. Die optischen Ähnlichkeiten aufgrund des Alters und des Bildungsniveaus spielten dennoch keine Rolle, da die Aufgabe diese Menschen in zwei unterschiedliche Gruppen aufteilte: Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmer dazu weiter in verschiedene Fachbereiche aufgeteilt: Marketing, Engineering und Lager.
Die Zeit der Vorbereitung war vergangen, und das erste Rollenspiel begann.
Der Sohn des in Rente gegangenen Firmengründers sollte, laut Aufgabe, die Mitarbeiter der Firma begrüßen und begann mit dem Lagerarbeiter. In seiner Auslegung der Aufgabe war der Mitarbeiter jemand, den der Junior aus dem Kindergarten kannte. Die hypothetische Rückkehr zu einer alten Bekanntschaft aus der Kindheit machte das Gespräch leichter und freundlicher. Das Publikum beobachtete das Geschehen interessiert ohne sich zu fragen, ob so ein Gespräch auch in der Realität stattfinden könnte. Alles sah locker und natürlich aus, eine tolle Interpretation.
Bei der zweiten Präsentation war eine junge Frau in der Rolle der Tochter geschlüpft und diese zierliche Frau, bereit das Unternehmen des Vaters zu übernehmen, projizierte das Treffen mit den Mitarbeitern der Marketing Abteilung. Hier ging es um Projekte, Ziele und neue Kampagnen. Die Darstellung war spannend und frisch, und alle amüsierten sich dabei. Am Ende aber murmelte sie leise „Wir müssen sparen….“, das Publikum überhörte den Satz, verliebt in die Dynamik des Erfolges, die in dieser Abteilung herrschte.
Diese Übungen mit dem Talent-Team eines ambitionierten Unternehmens trainierten die Kommunikation und das Vocal Charisma, das die frisch gewordenen “Führungskräfte“ zeigen sollten. Die Darsteller hatten das Vokabular präzise gewählt und alle tauchten unglaublich schnell in das Rollenspiel ein. Bildung, Position und die in der Realität bereits eingenommene Stufe der Verantwortung reflektierten aus den Sätzen der Lagerarbeiter und Marketing-Fachleute, und sie hatten gelernt, auch auf die leisen Sätze zu hören. Und die „Arbeitgeber“ hatten weitgehend auch die Spezifik dieser Sprache gezeigt, ohne aber die Herzlichkeit dabei zu vergessen.
Alles schien vorhanden, und die Aufgaben waren auf den ersten Blick nahezu perfekt gelöst worden. Und doch fehlte etwas.
In sämtlichen Rollenspielen war dem Arbeitgeber nicht einmal die Frage gestellt worden: „Wie geht es Ihnen?“
Oder „Wie geht es Ihrem Vater?“ Mich machte das traurig. Ich dachte an die vielen, vielen Gelegenheiten bei denen ich mir am Anfang meiner Karriere gewünscht hatte, diesen einfachen Satz zu hören: „Wie geht’s dir / Ihnen“.
„You are the Boss!“ – erklärte mir mein Mann, als ich einmal darüber klagte.
Wie behandelt man eine Führungskraft? Höflich natürlich.
Viele Führungskräfte erlauben einfach keine Nähe. Sie begegnen der Verantwortung und wachsen mit ihr. Visionen, Experimente, Risiken und auch Erfolge ergeben den Wechselmodus des Lebens eines Unternehmers und hinterlassen natürlich Spuren.
Wenig Zeit für Familie und Kinder, Nacht- und Sonntagsarbeit gehören dazu.
Als Unternehmer kreieren wir, führen wir und setzten unsere Ideen um. Wir wissen viel über die anderen und erzählen nicht viel über uns, weil… Wen würde es denn wirklich interessieren, wie es uns geht? Und nach ein paar Jahren fragen wir uns nicht mehr, warum uns keiner fragt. Die Antwort ist einfach: an der Spitze ist es einsam!
„An der Spitze ist es einsam“ – sagte mir sogar ein 12-jähriges Mädchen in Südafrika, das von der Academy of Young Entrepreneurs für ein Training ausgewählt worden war.
Stimmt das? Ist das die natürliche Folge des Erfolges?
In meinem Leben ändert sich alles. Ich bin heute keine einsame Unternehmerin. Ich bin das Mitglied meines Teams, das ich zum Siegertreppchen führe. Je mehr ich aus meinem Leben erzähle, desto mehr Menschen berühre ich. Je mehr ich gebe, desto mehr bekomme ich.
Heute werde ich oft gefragt, wie es mir geht, und diese Frage ist bereits ein großes Geschenk.
Erfolg ist dann Erfolg, wenn er geteilt wird!