
Sehr geehrte Damen und Herren,
Für Folge 6 hat das digitale „Mut Café“ dieses Mal face to face mit „ne echte Kölsche Jung“ gesprochen. Roberto Campione ist hier als Sohn eines sizilianischen Gastarbeiters und eines echten Kölschen Mädchens geboren und aufgewachsen, studierte Architektur und Stadtplanung und ist Kölner Unternehmer. Unter dem Motto „Lasst uns gemeinsam und nachhaltig unsere Stadt kreieren“ bewirbt er sich jetzt als parteiloser Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Köln.
Mit Herz, Kompetenz und Leidenschaft stellt er sich in Folge 6 des „Mut Café“ den Fragen zu seinem 11 Punkte umfassenden Wahlprogramm.
Nelly Kostadinova: Wollen Sie wirklich Oberbürgermeister werden?
Roberto Campione: Das ist eine Überlegung, die schon seit 2 Jahren reift. Ich möchte natürlich zu 100% Oberbürgermeister dieser Stadt werden. Als Unternehmer ist dies eine ganz elementare Entscheidung, weil man als Oberbürgermeister alles andere auf Eis legen, oder – wie in meinem Fall – meine Frau übernehmen muss.
Wie meistern die Familienunternehmen die Corona-Krise?
Unser Motto „Mut, ja bitte!“ ist jetzt noch viel wichtiger geworden. Die Familienunternehmer müssen einerseits gerade die Herausforderung annehmen, ihr Unternehmen gut durch die Krise zu steuern – da geht es um Liquidität, das Unternehmenskonzept, teilweise auch wie die Lieferketten aufrecht erhalten werden können und manchmal sogar, ob die Branche an sich überleben kann. Die Grundeinstellung des Unternehmers ist aber auch Optimismus und die Fähigkeit, dass man auf diese Veränderungen reagieren muss.
Sie sind wirklich ein sehr mutiger Mann. Hier habe ich alle 11 Punkte aus Ihrem Wahlprogramm ausgedruckt, und im ersten Punkt sagen Sie: „Erhöhung der Wahlbeteiligung gegenüber 2015.“
Köln hat 1 Mio. Einwohner, 806.000 durften 2015 wählen, und 60 % sind nicht wählen gegangen. Das halte ich für eine Katastrophe. Diese Leute muss man ansprechen und abholen. Das habe ich die letzten Jahre immer vermisst. Da sind auch viele Menschen mit Migrationshintergrund, und es ist wichtig, dass man sein Programm in verschiedene Sprachen übersetzt, dann kommt man auch näher an die Leute heran. Auch das trägt zur Integration bei.
Ich komme jetzt zu Punkt 2: „Vermittlung von Werten und Grundlagen der Gesellschaft.“ Wie wollen Sie das schaffen?
Es ist ja traurig, dass man so einen Programmpunkt überhaupt erwähnen muss. Wir sehen aber an vielen Stellen der Gesellschaft überhaupt keine Grundsätze für eine Diskussion mehr. Die Leute hauen aufeinander ein, man hat das Gefühl, wer am lautesten schreit, hat recht. Wir sehen das bei den Diskussionen Autofahrer vs. Radfahrer, beim Naturschutz etc. etc. Wir müssen wieder eine Diskussionskultur erreichen als Grundlage unserer Demokratie. Wir müssen Foren schaffen, wo die Leute diskutieren können, und das muss ordentlich moderiert sein. Die Leute müssen ihre Argumente wieder vorbringen können. Ich bin kein Freund von extrem rechts oder links, wir müssen uns in der Mitte wiederfinden, und ich habe manchmal das Gefühl, dass uns die Mitte verloren gegangen ist.
Sind Sie parteilos?
Ich bin parteilos und der absoluten Überzeugung, dass dies genau die richtige Position ist, um nicht von Parteiinteressen geprägte Entscheidungen treffen zu können.
Wir gehen zu Punkt 3, und das ist die „Verbesserung der Mobilität und Infrastruktur sowie effektive Verkehrsplanung.“ Sollen wir in Köln keine Autos mehr fahren?
Man muss mal auf den Punkt bringen, dass ich Architekt und Stadtplaner bin. Wir haben in Köln kein Gesamtkonzept. Alles war wir planen und tun, z.B. im ÖPNV, das ist alles Flickwerk. Es fehlt der Blick auf´s Gesamte. Wir planen straßenweise und nicht für die gesamte Stadt, aber da müssen wir wieder hinkommen und Auto, Fahrrad und ÖPNV wieder miteinander verknüpfen.
Da sind wir bei der Stadtplanung. „Architektur und Wohnungsbau mit Perspektive.“ Wie viele Wohnungen braucht Köln?
Ca. 6000 im Jahr; zurzeit werden aber nur ca. 2.500 gebaut. Das ist eine riesige Diskrepanz, die man nur dadurch aufholen kann, dass man auch in die Höhe baut. In meinem Wahlprogramm stehen bewilligte 40.000 Wohnungen innerhalb von 5 Jahren. Wir müssen Investoren den Weg frei machen mit Grundstücken, bezahlbaren Ackerflächen und der Möglichkeit, in der Stadt in die Höhe zu bauen. Auch müssen wir die Richtung vorgeben, dass diese Gebäude nachhaltig errichtet werden – begrünt, grüne Fassaden bekommen… Wir brauchen außergewöhnliche Gebäude, die sich selbst generieren können. Aktuelle Gegenargumente der Stadtverwaltung, z.B. zur Bewässerung dieser Gebäude, bringen mich zum Schmunzeln. Man muss in die Welt schauen und sehen, was es alles schon gibt.
Punkt 5 – „Vereinfachung der Bürokratie.“ Wir wissen, es dauert und dauert. Wie wollen Sie das vereinfachen?
Ich kenne kleinere Städte, da kann man die Anträge digital einreichen. Da müssen wir hinkommen und den einzelnen Sachbearbeitern mehr Kompetenzen geben, damit nicht zig Stellen zu einem Antrag befragt werden müssen. Das digitale Einreichen spart nicht nur Akten, es räumt auch mehreren Stellen den gleichzeitigen Zugriff auf die Anträge ein, was zu wesentlich schnelleren Entscheidungen führt.
Im nächsten Punkt geht es um die „Erstellung eines Sicherheitskonzeptes“. Wie wollen Sie das umsetzen?
Köln ist die viertgrößte Stadt in Deutschland, und überall, wo so viele Menschen sind, sind Kriminalität und Sauberkeitsprobleme zunächst mal natürliche Erscheinungen. Hier sprechen mich aber viele Leute an und sagen, dass sie kaum eine Stadt kennen, die so schmutzig ist, wie Köln. Wir lieben zwar unsere Stadt, aber viele treten sie mit Füßen, indem sie den Müll auf den Boden schmeißen und sich damit abfinden, dass die Stadt eben so ist, wie sie ist. Ich möchte mich nicht damit abfinden und die Dinge abstellen, durch erhöhte Reinigungsintervalle, aber auch durch eine „null-Toleranz-Politik“ gegenüber wilder Müllentsorgung und dem Drogenhandel in vielen unserer Veedel. Das werde ich nicht dulden. Wenn man da „die Leine etwas anzieht“ werden dem die Bürger auch folgen. Wir müssen auch mal in andere Länder schauen, mit welchen Hilfsprogrammen die Leute unterstützt werden können. Es gibt in der Schweiz z.B. ein besseres medizinischen Projekt, aber alles andere ist eine Straftat…, und so muss auch wieder umgegangen werden, dass diese zunehmende Verwahrlosung aufhört.
Dann gibt´s hier noch einen sehr interessanten Punkt: „Verantwortungsvoller Umgang mit den Finanzen der Stadt Köln“. Wie wollen Sie diese Probleme lösen?
Köln hat einen Doppelhaushalt von insgesamt 10 Mrd. € in zwei Jahren, das finde ich schon eine Menge. Aber solange man sich Baustellen wie die Oper erlaubt, die allein – momentan! – schon 850 Mio. € kostet, dann kann man sich vorstellen, wie schnell 10 Mrd. verpuffen. Und es gibt weitere Planungen in der Stadt, wie z.B. die „neue Mitte“, deren Millionen-Investitionen sicherlich besser in Schulen, Straßen und das Sozialsystem angelegt sind.
Nun zu Punkt 8 – „Bekämpfung der Armut: besonders der Alters- und Kinderarmut.“ Wie werden Sie sich damit beschäftigen?
In den Vereinen und Unternehmen gibt es ein sehr großes Engagement, aber das ist alles ehrenamtlich. Ich finde, dass die Stadt Köln auch selbst verpflichtet ist, Geld freizumachen, um z.B. Kinderspeisen zu forcieren. Ich bin immer wieder erschrocken darüber, dass der Sparkurs oft bei den Armen angesetzt wird. Vor allem sollten wir offen darüber sprechen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass dies unterdrückt wird. Das ist alles halbherzig durchgeführt. Es heißt immer, die Kinder müssen in den Schulen gutes Essen bekommen. Bei den Ausschreibungen gewinnt aber immer der Billigste. Wie sollen die Kinder da gutes Essen bekommen? Das müssen wir abstellen und umdenken: wo geben wir unheimlich viel Geld aus, und wo können wir das sinnvoller tun?
Und jetzt kommen wir zum Thema Digitalisierung: „Verpflichtung zur besseren Ausstattung der Schulen“.
Digitalisierung ist ein ganz wichtiges Thema, besonders für die Kinder in den Schulen. Wir haben jetzt in der Coronazeit gesehen, dass die Kinder quasi auf der Strecke geblieben sind, weil viele Schulen hier noch nicht so weit sind, um den Unterricht digital zu machen. Auch das geht in vielen Ländern einfacher. Da sehen wir, wie abgehängt wir sind. Schulneubauten sollen jedenfalls komplett digital eingerichtet werden. Und bei den Bestandsschulen gibt es noch ganz andere Probleme, z.B. Schultoiletten aus meiner Zeit, – 40 Jahre alt. Hierfür und dass Schüler ganz normal mit dem Computer umgehen und auch digital weiterlernen können, muss Geld frei gemacht werden.
Als Nächstes haben Sie an die „Wirtschaftsförderung und StartUps“ gedacht. Wie werden Sie da helfen?
Also Köln ist mittlerweile auf Platz 2, was die Anzahl der StartUps angeht. D.h. wir brauchen einen richtigen Campus, um StartUps zu fördern. Ich würde auch ein Amt für Innovation gründen, wo junge StartUps angekoppelt sind und weltweit die neuesten Entwicklungen auf dem Schirm haben und präsentieren. Wenn etwas irgendwo entwickelt wird, müssen wir dabei sein, damit wir uns nicht ständig fragen, warum hat diese Stadt das und wir nicht.
Und nun zum Punkt 11 – „Erhöhung des Ansehens der Stadt Köln.“
Momentan sind wir sehr blass. Alle großen Veranstaltungen sind inzwischen abgewandert. Wir brauchen mehr Strahlkraft, mehr als Dom und Karneval. Wir brauchen Firmen, die nach Köln kommen und sagen, hier haben wir die Infrastruktur und das Flair einer Weltstadt. Da müssen wir hinkommen und die Grundlagen schaffen. Ich wünsche mir auch wieder ein großes Sport-Event in Köln und mehr Anlässe für die Bürger und Unternehmen, sich mit ihrer Stadt zu identifizieren.
Wir haben Sie und Ihr Programm jetzt besser kennengelernt. Sagen Sie uns mit einem Satz: warum soll ich Sie wählen?
Wir regen uns über vieles auf und denken, das ändert sich doch nie. Ich bin der absoluten Überzeugung, dass man das ändern kann, wenn man das zusammen macht. Dafür stehe ich ein und sage: „Lasst uns zusammen eine Stadt kreieren, die auch die nächsten Generationen nachhaltig weitergeführt werden kann!“
Vielen Dank für das Gespräch!